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Woche 3

Unsere Schreibtischhelden versuchen weiterhin, sich in Triathlonform zu bringen und machen in der dritten Woche erste Trainingserfahrungen mit dem Rad. Ganz ohne Doping. Nicht einmal Käsekuchen!

Christians dritte Woche: Von Regenläufen, schmerzenden Füßen und Jan Ullrich und Lance Armstrong

Dienstagmorgen, 7.55 Uhr. „Ach, so doll regnet es gar nicht“, dachte ich, als ich vorhin bei leichtem Nieselregen loslief. „Fuck, so doll regnet es doch“, denke ich nun, eine dreiviertel Stunde später, während ich im strömenden Regen durch den Park jogge.

Sie kennen vielleicht den Spruch „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.“ Was für ein Unfug! Es gibt sehr wohl schlechtes Wetter – ich werde gerade hautnah Zeuge davon –, und außerdem habe ich keine gute Regenkleidung. Wahrscheinlich hat sich die All-Wetter-Funktionskleidungs-Industrie diesen bescheuerten Satz ausgedacht.

Bei Regen zu laufen, hat aber auch Vorteile: Es sind nur sehr wenige andere Jogger auf der Laufstrecke und du kannst in Ruhe deine Runden drehen. Bei Regen zu laufen, hat allerdings auch Nachteile: Die anderen Läufer, die bei so einem Wetter unterwegs sind, sind alle sehr ambitioniert und ich werde andauernd überholt. Und die meisten tragen gute Regenkleidung. Streber!

Ein Bild, so scharf wie der Blick durch eine verregnete Brille.

Donnerstagmorgen, 7.20 Uhr. „Ach, so doll tut der Fuß gar nicht weh, da kann ich trotzdem laufen“, dachte ich, als ich vorhin mit leichtem Ziehen am linken Außenspann zuhause loslief. „Fuck, so doll tut der Fuß doch weh, da kann ich unmöglich weiter laufen“, denke ich nun, knapp anderthalb Kilometer später, während der Schmerz nicht mehr als leichtes Ziehen zu beschreiben ist, sondern sich bei jedem Schritt anfühlt, als würde mir ein Elefantenbaby auf den Fuß latschen.

Mein Fuß hatte schon gestern angefangen, ein wenig zu schmerzen, aber ich habe das erstmal ignoriert. Bei kleinen Zipperlein heißt es unter Läufern nicht umsonst: „Das läuft sich schon wieder weg.“ Zumindest bei männlichen Läufern, die aus einer Mischung aus Träg-, Faul- und Feigheit Arztbesuche vermeiden. Okay, vielleicht nicht bei allen männlichen Läufern, aber bei mir.

Eigentlich müsste ich es besser wissen. Vor ein paar Jahren machte ich bei einer Laufgruppe mit, die sich einmal wöchentlich zum gemeinsamen Joggen traf. Einer der anderen Teilnehmer trainierte ein paar Tage, nachdem er an einem Halbmarathon teilgenommen hatte, unter Schmerzen trotzdem mit. Auf dem Heimweg zur S-Bahn, musst er sich bei mir abstützen, weil er nicht mehr richtig auftreten konnte. In der nächsten Woche kam er nicht zum Training und in den folgenden sechs Wochen auch nicht. Er hatte einen Ermüdungsbruch im rechten Fuß. So viel zum „Das läuft sich schon wieder weg.“

Ein Ermüdungsbruch ist das bei mir wohl nicht, diagnostiziere ich laienmedizinisch, aber vorsichtshalber stoppe ich trotzdem die Lauf-App und gehe genervt zurück nach Hause. Ich beschließe, stattdessen heute Mittag eine Runde zu radeln, damit ich trotzdem auf meine Sporteinheit komme. Wird ohnehin Zeit, mich mal einer der anderen Triathlon-Disziplinen zu anzunähern.

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Donnerstag, 17.20 Uhr. „Ach, so anstrengend ist so ein bisschen Fahrrad fahren bestimmt gar nicht“, dachte ich, als ich vorhin aufs Rad stieg. „Fuck, so anstrengend ist Fahrrad fahren doch“, denke ich nun, knapp 20 Kilometer später, während ich mich auf meiner fünften Runde durch den Park quäle. Mein Rücken tut weh, da ich anscheinend zu Affe-auf-dem-Schleifstein-mäßig auf dem Sattel hocke, die Waden zwicken aufgrund der ungewohnten Bewegungsabläufe, und meine Hände schmerzen, da ich die Griffe zu krampfhaft festhalte (Stichwort „Schreibtischheld“).

Freddy Mercury singt unterdessen „I want to ride my bicycle” in mein Ohr. Nur zu, Freddy, nur zu! Tu dir keinen Zwang an. Du kannst auch gerne mein Rad nehmen.

Außenstehende erinnert mein Fahrstil wahrscheinlich gleichermaßen an Jan Ullrich und Lance Armstrong.

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Figürlich ähnle ich Ulle, wenn er nach dem Genuss der ein oder anderen Schwarzwälder Kirschtorte während der Winterpause mit ein paar Kilo zu viel auf den Rippen in die neue Saison startete. Dafür erinnert meine Mimik an die wilde Entschlossenheit Lance Armstrongs, wenn er bei der Tour de France von Ehrgeiz und Epo angetrieben die Alpen hochjagte und seine Konkurrenten stehen ließ.

Bei mir ist es allerdings weniger wilde Entschlossenheit, sondern eher Frust und Verzweiflung, noch einmal den Berg am Nordende des Parks hinauffahren zu müssen. (Falls Sie den Schlosspark Charlottenburg kennen und sich fragen, wo zur Hölle da ein Berg sein soll, das ist dieser extrem steile Anstieg der rechts vom Spielplatz wegführt. Sie interpretieren das möglicher Weise als leichte Anhöhe, für mich ist es der Mont Ventoux der Schlossparkrunde.)

Um diese Herausforderung zu bewältigen, schalte ich, wie ich es während meines Studiums beim stundenlangen Schauen von Tour-de-France-Etappen bei Lance Armstrong gelernt habe, in einen niedrigen Gang, damit ich im Anstieg Tempo aufnehmen kann. Allerdings fahre ich trotzdem mit der hohen Trittfrequenz wie damals Jan Ullrich, so dass meine Geschwindigkeit zu wünschen übriglässt.

Christians Wochenbilanz:

  • Geschwommen: 0 km (Aber ich habe zumindest drei Minuten nach den Öffnungszeiten der örtlichen Schwimmbäder gegoogelt.)
  • Geradelt: 69,26 km (Gut, 11,24 km davon waren im Stadtverkehr, aber meine Durchschnittsgeschwindigkeit war dabei höher als bei den Trainingseinheiten im Park.)
  • Gelaufen: 26,84 km (Zählen Kilometer im Regen doppelt?)
  • Spotifylist-Neuzugang: Bicycle Race von Queen

Apropos frustrierende Trainingseinheiten: Wie ist es dir eigentlich diese Woche ergangen, Andrea?


Andreas dritte Woche: Von Göttern, Halbgöttern und einem reichlich flachen Iliosakralgelenk.

Huhu, Christian. Tja, was soll ich sagen. Ich besitze neuerdings ein Rad. Genauer gesagt: ein Rennrad. Zwar habe ich bereits ein ordentliches Rad, aber da gehen die Meinungen hier bei uns zu Hause anscheinend auseinander.

Das ist es also. Mein eigentliches Fahrrad. Es ist 12 Jahre alt und wenn man sich den Rost und die Spinnweben wegdenkt im Grunde auch so gut wie neu. Ich benutze es nämlich nicht.

Fahrräder sind für mich wie Autos. Du hast sie, um von A nach B zu kommen. Da ich aber zu den Menschen gehöre, die am liebsten zu Hause vor dem Fernseher auf C liegen, ziehe ich auf A-nach-B-Strecken eigentlich immer mein Auto vor.

Natürlich könnte ich auch auf öffentliche Verkehrsmittel umsatteln. Die gibt es aber da wo ich wohne nicht. Hier gibt es nur Fahrradwege und 6 km weit entfernte Supermärkte. Und natürlich viele Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. Sogar Senioren. Aber ich spreche hier nicht von Ü60-Langeoog-Touristen, die sich einmal im Jahr ein E-Bike leihen um anschließend an jeder Kreuzung sich und andere Verkehrsteilnehmer zu Tode zu erschrecken. Ich spreche von wirklich rüstigen Ü70-Rentnern, die mich jeden Sommer ausgesprochen blass aussehen lassen, wenn ich mein Fahrrad für einen Ausflug entstaube.

Wie dem auch sei, jedenfalls steht seit Neuestem ein Rennrad in meinem Schlafzimmer. Wohlgemerkt eines, das tatsächlich mir gehört. Und da steht es jetzt und starrt mich täglich vorwurfsvoll an, weshalb ich alles Menschenmögliche getan habe, um es zu verstecken.

Dabei gibt es einen ganz plausiblen Grund, warum ich nicht gerne Fahrrad fahre. Und zwar einen anatomischen. Als Gott meine Rückseite schuf, war sie offenbar reichlich verkatert. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb meine obere Etage in 85d gehüllt werden muss, während mein Rücken nahtlos von der Halswirbelsäule in die Waden übergeht.

Ich. Habe. Keinen. Hintern.

Nada. Nichts! Ich sitze quasi völlig ungepolstert auf meinem Iliosakralgelenk.

Und alle, die jetzt: „Pfffz-ich-wünschte-ich könnte-ich-hätte-nix-dagegen!“ schreien, sei gesagt: nein, diese Proportionen sind alles andere als glücklich. 20 Jahre habe ich gebraucht, um in diesem Körper aufrecht zu gehen, ohne umzufallen.

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Der Franz hingegen ist von allen Seiten gelungen. Außerdem liebt er Fahrradfahren. Schon immer. Sogar theoretisch. Ich weiß es, weil ich ihm von 1994 bis 2006 beim Tour-de-France-Gucken zugesehen habe. Jeden einzelnen dieser Sommer habe ich neben dem Franz auf C gelümmelt und mich in den Schlaf gelangweilt.

Bis eines Tages der texanische Rennrad-Halbgott und sein ostdeutscher Sidekick aufs falsche Pferd gesetzt haben. Das Pferd hieß Ferrari, hatte einen Doktortitel und pumpte Armstrong und den dicken Ulle mit so viel Glykoprotein-Hormonen voll, dass daraufhin der Franz die Nase voll hatte und das Tour-de-France-Gucken für immer einstellte. Huch! Fast hätte ich „endlich“ geschrieben…

Praktisch liebt der Franz das Fahrradfahren übrigens auch. Will sagen, sehr, weshalb er mir bei den Vier bunten Buchstaben einen gebrauchten Untersatz geschossen hat. Und der steht jetzt also in unserem Schlafzimmer und ich habe diese Woche zum ersten Mal auf ihm gesessen.

Wobei, das ist nicht ganz richtig. Tatsächlich bin ich vor ein paar Wochen schon mal auf das Rennrad gestiegen. Das habe ich aber still und heimlich und allein getan, weshalb auch niemand außer mir gesehen hat, wie ich bei der Erstbesteigung mit Rollentrainer samt eingespanntem Rennrad umgefallen bin.

Moment, Sie wissen nicht was ein Rollentrainer ist? Später. Jetzt folgt erst einmal ein Trainingsvideo, dass ich mir nach meinem vergurkten Aufstieg angeschaut habe:

Das war wirklich lehrreich. Vor allem der „Assisted Lift“ (zu sehen ab Minute 2:07) hat es mir angetan. Aus Gründen. Falls sie also Zeit und Lust haben, Christian und mir am 07. Juni in Berlin genau so unter die Arme zu greifen, dann können Sie sich jetzt bewerben unter:

So, wo war ich? Ach ja, der Rollentrainer.

Ein Rollentrainer ist ein Gerät, in das Sie ihr Rennrad spannen können, wenn es draußen stürmt und schneit. Außer Sie sind ich und mit dem Franz verheiratet, der auf seinem Iliosakralgelenk diese Woche bereits 200 km runtergerockert hat. Dann ist der Rollentrainer das Ding, an dem Sie sich lediglich nachts im Dunkeln auf dem Weg zur Toilette die Zehen stoßen. Jedenfalls ist so ein Rollentrainer ungemein praktisch, wenn man außerhalb der Outdoor-Saison trainieren möchte. Hab ich mir sagen lassen…

Der Rollentrainer. Erik Zabel gefällt das.

So habe ich also diese Woche die allererste Rennradetappe meines Lebens gemeistert. Und wie bei den meisten ersten Malen habe auch ich die meiste Zeit geschwitzt, wusste nicht was ich tat und im Anschluss daran folgendes Gespräch geführt:

„Und? Wie wars?“

„Mir tut der Hintern weh.“

„Normal.“

„Und die Hände.“

„Normal.“

„Und der Nacken. Das ist echt ne gewöhnungsbedürftige Position.“

„Alles ganz normal.“

„Ach so, und irgendwann… ist mir alles eingeschlafen.“

„…“

„Also wirklich…A-L-L-E-S.“

„…“

„…“

 „NOOOOORMAAAAAL!“

Andreas Wochenbilanz:

  • Geschwommen: 0 km (Ich kann nicht überall sein.)
  • Gelaufen: 19,4 km
  • Geradelt: 20 Minuten. (Jawohl, 20 Minuten. Und ich schreibe das ohne jegliche Scham.)
  • Spotifylist-Neuzugang: Like a Virgin von Madonna

Die ultimative Ankommer-Playlist


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Veröffentlicht in Ankommen Die Woche

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